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Wann ist elektrisch betriebenen Fluchtwegzeichen der Vorzug vor langnachleuchtenden Piktogrammen zu geben? Ist ein Rettungswegeplan für öffentliche Gebäude sinnvoll?

KomNet Dialog 2212

Stand: 03.04.2024

Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Arbeitsplatz- und Arbeitsstättenbeschaffenheit > Beleuchtung und Kennzeichnung von Fluchtwegen

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Frage:

Ich beziehe mich mit meiner Anfrage auf zwei Problemstellungen, die mir in meiner Tätigkeit als Ersteller von Brandschutzkonzepten häufig und mitunter in Kombination die Arbeit erschweren. 1. Wann ist elektrisch betriebenen Rettungswegzeichen der Vorzug vor langnachleuchtenden Piktogrammen der Vorzug zu geben. Mein aktueller Fall: Verwaltungsgebäude, 6.000m² Grundfläche pro Geschoss, 6 Etagen, 7 Innenhöfe, 4 km Gesamtflurlänge, lediglich Sicherheitsbeleuchtung, keine/unzureichende Wegeleitsysteme bis dato. 2. Macht es Sinn, in Gebäuden dieser Bauart einen Rettungswegplan zu erstellen, M.E. ist bei diesen Gebäuden ein Plan zu erstellen, den letztendlich nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung `lesen` kann, selbst wenn man diesen stark stilisiert und alle Randbedingungen einhält (lagerichtigkeit, Größe der Hinweise innerhalb des Planes, Plangröße A1/A2, etc.) Sollte man hier anstelle dessen nicht eher mit Hinweisschildern auf Notausgänge, Löscheinrichtungen, Erste Hilfe, etc. arbeiten?

Antwort:

Elektrisch betriebene Fluchtwegkennzeichen (beleuchtet oder hinterleuchtet) sind immer dann zwingend erforderlich, wenn eine Sicherheitsbeleuchtung vorgeschrieben ist. Die Forderung nach einer Sicherheitsbeleuchtung kann sich zum Beispiel aus der Technischen Regel für Arbeitsstätten "Beleuchtung und Sichtverbindung" (ASR A3.4) i.V.m. ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge", einer Sonderbauverordnung (z. B. für Krankenhäuser, Verkaufsstätten, Versammlungsstätte) oder einer Auflage in der Baugenehmigung ergeben. 


Hinsichtlich der im Einzelfall zu treffenden Maßnahmen müssen also mehrere Regelwerke gleichzeitig, aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht insbesondere die ASR A2.3 und die ASR A3.4, berücksichtigt werden:


Die ASR A2.3 beschreibt in Abschnitt 8."Kennzeichnung von Fluchtwegen und Notausgängen":

"Fluchtwege und Notausgänge müssen mit hochmontierten Sicherheitszeichen nach Abschnitt 8.2 Absatz 3 Nummer 2 gekennzeichnet sein. Für Hauptfluchtwege gelten die Anforderungen nach Abschnitt 8.2. Diese gelten auch für Hauptfluchtwege, die als Nebenfluchtwege genutzt werden können. Für Nebenfluchtwege, die nicht über Hauptfluchtwege führen, gelten abweichende Anforderungen entsprechend Abschnitt 8.3. Wenn das gefahrlose Verlassen der Arbeitsstätte durch diese Art der Kennzeichnung nicht gewährleistet ist, sind zusätzliche Maßnahmen nach Abschnitt 8.4 oder 9 zu ergreifen." 


8.1 Allgemeine Anforderungen an die Kennzeichnung und Erkennbarkeit, ASR 2.3

"(1) Fluchtwege, Notausgänge, Notausstiege und Türen im Verlauf von Fluchtwegen müssen, Sammelstellen sollen deutlich erkennbar und dauerhaft gekennzeichnet werden.

(2) Die Kennzeichnung der Fluchtwege, Notausgänge, Notausstiege und Türen im Verlauf von Fluchtwegen sowie der Sammelstelle muss entsprechend der ASR A1.3 „Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung“ erfolgen. Für Sammelstellen ist dies das Sicherheitszeichen E007 „Sammelstelle“. Die Kennzeichnung kann in langnachleuchtender, innenbeleuchteter oder außenbeleuchteter Ausführung erfolgen. Die Dauer der Erkennbarkeit der Sicherheitszeichen aller Varianten muss bei Ausfall der Allgemeinbeleuchtung auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden, sie muss mindestens 30 min betragen. Sofern das Bauordnungsrecht der Länder höhere Anforderungen stellt, sind diese anzuwenden."

[...]

(6) Notausgänge und Notausstiege sind, sofern diese von der Außenseite zugänglich sind, auf der Außenseite mit dem Verbotszeichen „P023 Abstellen oder Lagern verboten“ zu kennzeichnen.

[...]"



9 Sicherheitsbeleuchtung, ASR A2.3

"Die Ausstattung von Fluchtwegen mit einer Sicherheitsbeleuchtung kann aus anderen Rechtsvorschriften, insbesondere dem Bauordnungsrecht, gefordert sein. Ist das nicht der Fall, muss geprüft werden, ob das gefahrlose Verlassen der Arbeitsstätte, insbesondere bei Ausfall der Allgemeinbeleuchtung, gewährleistet ist. Bei dieser Prüfung sind für Räume und Bereiche insbesondere folgende Kriterien zu beachten:

1.hohe Personenbelegung,

2.Flächenausdehnung (z.B. Hallen, Großraumbüros, Verkaufsstätten)

[...]

6. erhöhte Gefährdung (z.B. durch Stolpern und Stürze, auf Treppen)

[...]

Aus dem Ergebnis dieser Prüfung kann sich die Notwendigkeit einer Sicherheitsbeleuchtung ergeben."


Mittels Gefährdungsbeurteilung ist zu klären, welche der in den vorgenannten technischen Regeln aufgeführten Anforderungen auf das Verwaltungsgebäude anzuwenden und welche Maßnahmen zu treffen sind. 


Ein Flucht- und Rettungsplan ist dann zu erstellen, wenn die Voraussetzungen des Abschnitt 9 der ASR A2.3 vorliegen:


10 Flucht- und Rettungsplan

"(1) Der Arbeitgeber hat einen Flucht- und Rettungsplan für die Bereiche in Arbeitsstätten zu erstellen, in denen die Lage, die Ausdehnung oder die Art der Benutzung der Arbeitsstätte dies erfordern.

Flucht- und Rettungspläne können z. B. erforderlich sein:

  1. bei unübersichtlicher Fluchtwegführung (z. B. über Zwischengeschosse, durch größere Räume, bei einer gewinkelten oder von den üblicherweise betrieblich genutzten Verkehrswegen abweichenden Wegführung),
  2. bei einem hohen Anteil an ortsunkundigen Personen (z. B. Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr)
  3. in Bereichen mit einer erhöhten Gefährdung (z. B. Räume nach Abschnitt 5 Absatz 2 Nummer 3 und 4 oder Absatz 3) oder
  4. wenn sich aus benachbarten Arbeitsstätten Gefährdungsmöglichkeiten ergeben (z. B. durch explosions- bzw. brandgefährdete Anlagen oder Stofffreisetzung)."



Weitere Informationen:

Lasi - Handlungshilfe zur Beleuchtung von Arbeitsstätten (LASI-LV 41)