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Ist beim Austausch des Bohrgestänges an einem selbstfahrenden Bohrgerät Alleinarbeit zulässig?
KomNet Dialog 7849
Stand: 23.10.2019
Kategorie: Gesunde Arbeit / Arbeitsschutz > Gestaltung von Arbeitsplätzen > Einzelarbeitsplätze, Alleinarbeit
Frage:
Beim Arbeiten mit selbstfahrenden Bohrgeräten werden die Bohrgestänge von Hand aus einer Halterung entnommen und ohne weitere Hilfe von einer Person am Bohrgestänge montiert. (das Bohrgestänge hat eine Länge von 3 m, ein Gewicht zwischen 20 und 30 kg). Die Bohrstangen werden am Tag zwischen 60- und 80-mal an- bzw. abgeschraubt und dementsprechend in einer Halterung abgelegt bzw. entnommen. Frage: Ist beim Austausch des Bohrgestänges an einem selbstfahrenden Bohrgerät Alleinarbeit zulässig?
Antwort:
Einzelarbeit ist aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht zulässig, wenn bestimmte Randbedingungen eingehalten werden.
Mit § 8 (2) DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" wird der Arbeitgeber bei der Ausführung einer "gefährlichen Arbeit" in Alleinarbeit verpflichtet, über die allgemeinen Schutzmaßnahmen hinaus für geeignete technische oder organisatorische Personenschutzmaßnahmen zu sorgen. Zur Bewertung und Festlegung von Maßnahmen bei der Alleinarbeit sind z. B. die Ausführungen der DGUV Regel 112-139 (bisher: BGR/GUV-R 139) zu beachten.
Für welche Arbeitsbereiche weitergehende Maßnahmen getroffen werden müssen, muss letztlich die Gefährdungsbeurteilung ergeben. Zur Konkretisierung der Gefährdungsbeurteilung, wann eine Gefährdung bzw. eine gefährliche Arbeit vorliegt, siehe die Ausführungen zum § 8 der DGUV Regel 100-001 "Grundsätze der Prävention".
Zur Bewertung kann auch die DGUV Regel 101-008 (bisher: BGR 161) "Arbeiten im Spezialtiefbau" herangezogen werden.
Nach der DGUV Regel 101-008 müssen Arbeiten des Spezialtiefbaus durch Aufsichtsführende beaufsichtigt werden. Diese müssen während der Arbeiten ständig an der Baustelle anwesend sein. Kapitel 4.1.4 bestimmt, dass "gefährliche Arbeiten" nicht von einer Person allein ausgeführt werden dürfen und verweist insofern wieder auf § 8 der DGUV Regel 100-001. Es obliegt dem Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilungen die Arbeiten als gefährliche Arbeit einzustufen. Er hat eine Betriebsanweisung zu erstellen, aus der die Schutzmaßnahmen bei Alleinarbeit hervorgehen. Insbesondere ist die Überwachung, das Meldesystem und die Erste-Hilfe zu regeln.
Aus der Beschreibung wird deutlich, dass sehr oft am Tag Lasten mit ca. 20 bis 30 kg durch eine Person in irgendeiner Weise bewegt bzw. gehoben werden müssen. Da diese auch eine unhandliche Länge aufweisen und ggf. etwas länger zur Positionierung gehalten werden müssen, kann sich nach unserer Einschätzung daraus eine erhebliche Gefährdung für die Gesundheit des Beschäftigten ergeben. In der Lastenhandhabungsverordnung werden zu Merkmalen, aus denen sich eine Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit ergeben können, Festlegungen getroffen.
Bei einer überschlägigen Beurteilung der Lastenhandhabung mit der Methode LV 9 (Siehe nachfolgend) ergibt sich in ihrem Fall eine wesentlich erhöhte Belastung; d. h. eine körperliche Überbeanspruchung ist auch für normal belastbare Personen möglich. Gestaltungsmaßnahmen sind durch den Arbeitgeber angezeigt.
Vom Arbeitgeber werden Maßnahmen gefordert, um die manuelle Handhabungen von Lasten, die für die Beschäftigten eine Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit mit sich bringen (insbesondere der Lendenwirbelsäule) zu vermeiden. Eine relativ schnelle und einfache Minderung der Belastung kann z. B. durch Verteilung der Arbeiten auf eine zweite Person erfolgen, da sich so die Anzahl der Hebevorgänge halbieren. Gleichzeitig ist somit das Problem der Alleinarbeit beseitigt.
Informationen zu Heben und Tragen von Lasten bietet die durch den Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) entwickelten Leitmerkmalmethode zur Beurteilung von Hebe und Tragevorgängen [Anhang zur "Handlungsanleitung zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen beim Heben und Tragen von Lasten" (LV 9)].
Das berufsgenossenschaftliche Vorschriften- und Regelwerk finden Sie über die Seiten der DGUV unter: http://publikationen.dguv.de
Aktueller Gesamthinweis:
Die BAuA hat im Oktober 2019 neue Leitmerkmalmethoden (LMM) für die sechs Belastungsarten manuelles Heben, Halten und Tragen von Lasten, manuelles Ziehen und Schieben von Lasten, manuelle Arbeitsprozesse, Ausübung von Ganzkörperkräften, Körperfortbewegung und Körperzwangshaltungen herausgegeben, die in deutscher und englischer Sprachversion mit Kurzanleitung den Betrieben zur Anwendung zur Verfügung stehen. Dazu wurde von der BAuA auch der entsprechende Forschungsbericht F 2333 herausgegeben (Band 1 zum MEGAPHYS-Gemeinschaftsprojekt).
Wie seit dem LMM-Entwicklungsbeginn im Jahr 1994 bisher systematisch vorgegangen wurde, werden auf der Basis des Forschungsberichts F 2333 wohl zukünftig auch wieder weitere Einzelformate zur LMM-Methodenfamilie von der BAuA den Betrieben zur Verfügung gestellt. Die entsprechenden LASI-Veröffentlichungen zu den Leitmerkmalmethoden sind bisher noch nicht an den neuen Stand der Leitmerkmalmethoden angepasst worden, was wohl - wie bisher auch üblich - zukünftig systematisch noch geschehen wird.