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Gilt die Pflicht zur arbeitsmedizinischen Vorsorge auch, wenn ein entsprechender Immunschutz für verschiedene Erreger besteht?
KomNet Dialog 44083
Stand: 10.03.2025
Kategorie: Gesundheitsschutz > Arbeitsmedizinische Vorsorge > Untersuchungspflichten
Frage:
Gilt die Pflicht zur Vorsorge auch, wenn ein entsprechender Immunschutz für die aufgelisteten Erreger besteht? Zum Beispiel: ArbmedVV Anhang Teil 2 (1) 3. c) in Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Menschen: aa) Tätigkeiten mit regelmäßigem direkten Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Personen hinsichtlich Bordetella pertussis, Hepatitis-A-Virus (HAV), Masernvirus, Mumpsvirus oder Rubivirus. Für Pertussis und Hepatitis A Virus werden Impfungen erst wieder nach 10 Jahren empfohlen, für MMR darf nach 2 Impfungen von einer dauerhaften Immunität ausgegangen werden. Muss die Pflichtvorsorge trotzdem alle 3 Jahre durchgeführt werden?
Antwort:
Rechtliche Grundlage zur Durchführung der Arbeitsmedizinischen Vorsorge ist die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Hier sind auch die Pflicht bzw. das Angebot zur arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen geregelt.
§ 4 bzw. § 5 ArbMedVV legen fest, dass nach Maßgabe des Anhangs zur ArbMedVV Pflicht- bzw. Angebotsvorsorge vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in regelmäßigen Abständen veranlasst bzw. angeboten werden muss.
Nach § 6 Abs. 2 ArbMedVV sind Impfungen Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge und den Beschäftigten anzubieten, soweit das Risiko einer Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist. Dies gilt nicht, wenn der oder die Beschäftigte bereits über einen ausreichenden Immunschutz verfügt.
Die Pflicht zur regelmäßigen Veranlassung bzw. zum regelmäßigen Angebot der Arbeitsmedizinischen Vorsorge bleibt hiervon unberührt, ein Ausnahmetatbestand für bereits vollständig Immunisierte bzgl. der Regelmäßigkeit der Vorsorge ist in der ArbMedVV nicht aufgeführt. Lediglich im Falle von Angebotsvorsorgen bei gezielten Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 2 der Biostoffverordnung und nicht gezielten Tätigkeiten, die der Schutzstufe 2 der Biostoffverordnung zuzuordnen oder vergleichbar sind, kann laut ArbMedVV die Angebotsvorsorge entfallen, wenn nach der Gefährdungsbeurteilung und auf Grund der getroffenen Schutzmaßnahmen nicht von einer Infektionsgefährdung auszugehen ist [Anhang ArbMedVV Teil 2 Abs. 2 Nr. 1b)]. Dies gilt jedoch nicht im Falle von Pflichtvorsorgen oder Angebotsvorsorgen, die nicht unter diesen Passus fallen.
Der Inhalt der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist grundsätzlich den Erfordernissen anzupassen: Vor Durchführung körperlicher oder klinischer Untersuchungen hat der Arzt oder die Ärztin deren Erforderlichkeit nach pflichtgemäßem ärztlichen Ermessen zu prüfen und den oder die Beschäftigten über die Inhalte, den Zweck und die Risiken der Untersuchung aufzuklären (§ 6 Abs. 1 Satz 4 ArbMedVV). Eine arbeitsmedizinische Vorsorge kann sich somit auf eine arbeitsmedizinische Beratung beschränken, falls der Beschäftigte keine körperliche/klinische Untersuchung wünscht bzw. diese aus Sicht des Arztes nicht erforderlich ist.
Die Arbeitsmedizinische Regel AMR Nr. 2.1 "Fristen für die Veranlassung/das Angebot arbeitsmedizinischer Vorsorge" konkretisiert die Anforderungen der ArbMedVV. Bei Einhaltung der AMR kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Der Arzt oder die Ärztin im Sinne des § 7 ArbMedVV hat diese AMR als den Stand der Arbeitsmedizin entsprechende Regel zu berücksichtigen (§ 6 Absatz 1 Satz 1 ArbMedVV). In der AMR 2.1 sind Fristen für die regelmäßige Durchführung / das regelmäßige Angebot der arbeitsmedizinischen Vorsorge aufgeführt. Diese Fristen sind laut AMR 2.1 Maximalfristen, d.h. sie dürfen nicht überschritten werden. Zulässig sind hiernach allein kürzere Fristen. Ein Ausnahmetatbestand bzgl. der regelmäßigen Durchführung bzw. des regelmäßigen Angebots der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei vollständig Immunisierten ist dort nicht aufgeführt (AMR 2.1 siehe „3. Festlegung der Fristen“).
Da die AMR den Stand der Arbeitsmedizin darstellen, müsste der Arzt/die Ärztin somit bei Abweichen hiervon (z. B. durch Verlängerung der Frist) auch haftungsrechtlich für den individuellen Fall begründen können, warum er sich nicht an den Stand der Arbeitsmedizin hält. (siehe Aligbe, Rechtshandbuch Arbeitsmed. Vorsorge, Verlag C.H. Beck GmbH & Co. KG, 2. Auflage 2020).
Wir weisen darauf hin, dass wir nur allgemeine Hinweise zur Rechtslage geben können, eine Rechtsberatung bleibt den rechtsberatenden Berufen vorbehalten sowie dem Studium der einschlägigen Rechtsliteratur.