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Ist es zulässig, dass eine einzelne Pflegekraft einen gelähmten Patienten mittels eines Rutschbrettes vom Bett in einen Rollstuhl befördert?
KomNet Dialog 29188
Stand: 23.10.2019
Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Ergonomie > Heben, Tragen, Schieben, Ziehen, Stehen
Frage:
Ich arbeite im ambulanten Pflegedienst und habe diesbezüglich eine Frage. Bei einem Patienten (94 kg), der ab der Brust gelähmt ist, soll der Transfer mit Hilfe eines Rutschbrettes erfolgen. Der Rollstuhl ist niedrig und mit Schutzblechen versehen. Diese sind nicht schwenkbar, die Fußstützen sind ebenfalls nicht beweglich. Es steht zudem nur eine Pflegekraft zur Verfügung. Nun meine Frage: ist dies zulässig?
Antwort:
Die von Ihnen beschriebene Tätigkeit fällt unter die Lastenhandhabungsverordnung. Diese Vorschrift enthält keine Grenzwerte, mit denen ein Verbot des Hebens und Tragens gekoppelt ist. Sie schreibt vielmehr dem Arbeitgeber vor:
1. eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und geeignete Maßnahmen daraus abzuleiten;
2. bei der Übertragung von Aufgaben die körperliche Eignung der Beschäftigten zu berücksichtigen.
Sie sollten daher im ersten Schritt Ihren Arbeitgeber auf die verpflichtende Durchführung der Gefährdungsbeurteilung unter der Beteiligung der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des Betriebsarztes ansprechen. Methodisch geeignet ist hierfür die sogenannte Leitmerkmalmethode (LMM). Bei deren Anwendung dürfte man in Ihrem Fall in den Risikobereich 3 oder 4 kommen, womit entsprechende Gestaltungsmaßnahmen angezeigt sind bzw. erforderlich werden. Solche Maßnahmen können technischer (z.B. Hilfsmittel) oder organisatorischer (z.B. eine zusätzliche Hilfskraft) sein.
Sind Sie nach diesem Schritt der Auffassung, dass die Arbeitsschutzmaßnahmen Ihres Arbeitgebers nicht ausreichen und dass der Arbeitgeber Ihren Beschwerden nicht abhilft, können Sie sich nachteillos an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden (s. § 17 Abs.2 Arbeitsschutzgesetz).
Aktueller Gesamthinweis:
Die BAuA hat im Oktober 2019 neue Leitmerkmalmethoden (LMM) für die sechs Belastungsarten manuelles Heben, Halten und Tragen von Lasten, manuelles Ziehen und Schieben von Lasten, manuelle Arbeitsprozesse, Ausübung von Ganzkörperkräften, Körperfortbewegung und Körperzwangshaltungen herausgegeben, die in deutscher und englischer Sprachversion mit Kurzanleitung den Betrieben zur Anwendung zur Verfügung stehen. Dazu wurde von der BAuA auch der entsprechende Forschungsbericht F 2333 herausgegeben (Band 1 zum MEGAPHYS-Gemeinschaftsprojekt).
Wie seit dem LMM-Entwicklungsbeginn im Jahr 1994 bisher systematisch vorgegangen wurde, werden auf der Basis des Forschungsberichts F 2333 wohl zukünftig auch wieder weitere Einzelformate zur LMM-Methodenfamilie von der BAuA den Betrieben zur Verfügung gestellt. Die entsprechenden LASI-Veröffentlichungen zu den Leitmerkmalmethoden sind bisher noch nicht an den neuen Stand der Leitmerkmalmethoden angepasst worden, was wohl - wie bisher auch üblich - zukünftig systematisch noch geschehen wird.