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Ist die Anwendung von adäquatem persönlichem Lärmschutz bei der Jagd Pflicht?

KomNet Dialog 9832

Stand: 15.12.2009

Kategorie: Physikalische Belastungen und Beanspruchungen > Lärm > Lärmminderungsmaßnahmen, Schutzmaßnahmen

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Frage:

Bei der Jagd entstehen Lärm-Emissionen zwischen 130 und 170 dB(A) als Impulslärm. Wird diese nun gewerblich durchgeführt bzw. angewiesen (z.B. auch bei den Staatsforsten), stellen sich mir folgende Fragen: 1) Ist die Anwendung von adäquatem persönlichen Lärmschutz in diesem Fall Pflicht? Also müsste die Benutzung verpflichtend vom Dienstherren/Arbeitgeber angewiesen werden? (Jäger weigern sich oft wegen der angeblichen Notwendigkeit des unverfälschten Hörens - auch aktive Systeme mit Mikrofon werden meist abgelehnt). 2) Nach der Richtline der EU EG 10/2003 ist es seit dem 15.02.2009 zwingend, dass Lärmquellen über 140 dB technisch am Entstehungsort zu mindern. Müsste man da nicht über Schalldämpfer o.ä. nachdenken? Einige Länder haben sogar ein Schalldämpferverbot in ihren Landesjagdgesetzen.

Antwort:

Zu 1)
Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) gilt zum Schutz der Beschäftigten vor tatsächlichen oder möglichen Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Lärm oder Vibrationen bei der Arbeit.
Die "Allgemeine Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz (VSG 1.1) der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sowie die BGR/GUV-R 194 "Benutzung von Gehörschutz" verweisen ebenfalls auf die LärmVibrationsArbSchV.
In der VSG 4.4 Jagd vom 1. Januar 2000 ist die LärmVibrationsArbSchV noch nicht berücksichtigt. Die VSG 4.4. fordert explizit für Schießstände das Verwenden von Gehörschutz.

Unter § 8 Gehörschutz der LärmVibrationsArbSchV ist folgendes festgelegt:
"(1) Werden die unteren Auslösewerte nach § 6 Satz 1 Nr. 2 trotz Durchführung der Maßnahmen nach § 7 Abs. 1 nicht eingehalten, hat der Arbeitgeber den Beschäftigten einen geeigneten persönlichen Gehörschutz zur Verfügung zu stellen, der den Anforderungen nach Absatz 2 genügt.
(2) Der persönliche Gehörschutz ist vom Arbeitgeber so auszuwählen, dass durch seine Anwendung die Gefährdung des Gehörs beseitigt oder auf ein Minimum verringert wird. Dabei muss unter Einbeziehung der dämmenden Wirkung des Gehörschutzes sichergestellt werden, dass der auf das Gehör des Beschäftigten einwirkende Lärm die maximal zulässigen Expositionswerte LEX,8h = 85 dB(A) beziehungsweise LpC,peak = 137 dB(C) nicht überschreitet.
(3) Erreicht oder überschreitet die Lärmexposition am Arbeitsplatz einen der oberen Auslösewerte nach § 6 Satz 1 Nr. 1, hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten den persönlichen Gehörschutz bestimmungsgemäß verwenden.
"

Nach den vorgenannten Vorschriften wäre also für Arbeitnehmer bzw. Versicherte der Berufsgenossenschaft das Tragen von Gehörschutz bei der Schießausübung Pflicht, wenn bei der Schussabgabe der  LEX,8h = 85 dB(A) beziehungsweise  LpC,peak = 137 dB(C) überschritten wird. Erfahrungsgemäß wird zumindest der LpC,peak = 137 dB(C) sowohl in Schießständen wie auch bei der Schussabgabe in Kanzeln (Schallpegelerhöhung auf Grund von Reflexionen) bei der Jagd überschritten.
Bei der Jagd mit Schussabgabe im Freifeld bewegt man sich ebenfalls im Bereich des LpC,peak = 137 dB(C). In der Praxis hat es sich aber bislang nicht durchgesetzt, dass auch bei dieser Jagdart Gehörschutz getragen wird. Hier werden auch die bereits von Ihnen genannten Argumente vorgebracht, dass auf ein unverfälschtes Hören, zum Teil auch aus Sicherheitsgründen, nicht verzichtet werden soll. Inwieweit diese Argumente stichhaltig sind, ist nach unserem Kenntnisstand bislang von den zuständigen Gremien (Berufsgenossenschaft, Arbeitsschutzbehörde, Jagdaufsichtsbehörde) nicht abschließend geklärt worden und werden derzeit für die Schussabgabe im Freifeld nicht beanstandet.

Zu 2)
Die RL 2003/10/EG "Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor Lärm" wurde durch die bereits genannte Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung - LärmVibrationsArbSchV  in nationales Recht umgesetzt.  Diese fordert unter § 7, dass die Lärmemission  am Entstehungsort verhindert oder so weit wie möglich verringert werden muss. Technische Maßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen. 
Bei Schusswaffen ist allerdings auch das Waffenrecht bzw. auch das Jagdrecht zu beachten, so dass hier der Gesetzgeber gefordert wäre, entsprechende Vorgaben auch in Bezug auf Lärmemissionen von Schusswaffen aufzustellen.