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Handelt es sich bei Reifengummi um einen neuen Stoff nach REACH?

KomNet Dialog 9783

Stand: 04.12.2009

Kategorie: Sichere Chemikalien > Begriffsbestimmungen > Produkttypen

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Frage:

Frage zu Kautschuk (Gummi) deren Definition als Stoff/Zubereitung/Erzeugnis und den Einfluss auf Recycling. Vorraussetzung: Ein Reifenhersteller bezieht eine so genannte Frischmischung (besteht aus Polymer und Zusatzstoffen) bei der alle Inhaltsstoffe nach REACH registriert sind, diese wird nun vom Reifenhersteller zur Reifenproduktion verwendet und wird dabei zur Vulkanisation gebracht, es entsteht also Reifengummi. Frage: Handelt es sich bei dem Reifengummi um einen neuen Stoff nach REACH? (Diese Frage sollte für den Reifenhersteller irrelevant sein da er ja Erzeugnisse herstellt.) Eigene Überlegung: Die Definition für Polymer dürfte an dieser Stelle nicht mehr greifen da durch die Vulkanisation die ursprünglichen Polymerketten kovalent vernetz werden, und der geforderte in Art 3. „bestimmte Molekulargewichtsbereich“ nicht mehr gegeben ist. Im schlimmsten Fall könnte man annehmen das alle Polymerketten durch die Vernetzung miteinander verknüpft sind und es ein einziges Molekül ist. Des Weiteren spricht die chemische Betrachtungsweise eher für einen „neuen Stoff“ da neue Bindungen entstehen und daraus resultierend neue Eigenschaften des Stoffes. Wenn die obige Frage mit ja beantwortet wird: (Falls mit nein beantwortet vergessen sie das nachfolgende) Sollte sich dann draus für Reifenrecycler ein Problem ergeben, da nach Artikel 2. Abs. 7d (unter anderem) nur wiedergewonnen Stoffe in Umlauf gebraucht werden dürfen die registriert sind. Da der Reifengummi aber erst bei der Reifenproduktion „wirklich“ entsteht und dort keine Registrierung nötig ist (weil direkt ein Erzeugnis entsteht), arbeitet der Reifenrecycler doch nur Stoffe auf die nicht registriert sind. Ist dieses Problem in Ausführungsbestimmung oder ähnlichen separat abgefangen, oder ist der Recycler gezwungen den Reifengummi selbst zu registrieren? Oder hat der Recycler andere Möglichkeiten das Problem zu umgehen, wie z.B. Reifenmehl als Erzeugnis definieren, wobei die Argumentation doch recht interessant werden dürfte.

Antwort:

Vorbemerkung:
Die Titel II (Registrierung von Stoffen) und VI (Bewertung) der REACH-VO gelten nicht für Polymere (vgl. Art. 2 Abs. 9)! Demzufolge sind Polymere nicht zu registrieren. Nach Art. 6 Abs. 3 der REACH-VO sind aber für die Monomereinheiten und/oder andere Stoffe in Polymeren Registrierungen vom Importeur oder Hersteller einzureichen, sofern ein vorgeschalteter Akteur in der Lieferkette (!) dies noch nicht getan hat.

Antwort:
In der vorliegenden Fragestellung wird angenommen, dass alle Monomeren oder andere Reaktanten sowie die Zusatzstoffe einer Kautschukmischung (Frischmischung) nach den Vorgaben der REACH-VO bereits registriert sind. Aus dieser Mischung werden dann durch Vulkanisation Reifen hergestellt, deren Form und elastischen Eigenschaften die Funktion bestimmen. Die elastischen Eigenschaften des vulkanisierten Kautschuks hängen von der erreichten Vernetzungsdichte ab. Die Vulkanisation ist ein Vernetzungsprozess, bei dem die Molekularverteilung des Polymers Kautschuks zu höheren Molekulargewichten verschoben wird. Es ist davon auszugehen, dass der beschriebene hypothetische Ansatz des Entstehens eines einzigen „Super-Makromoleküls“ (und der damit verbundene Wegfall der Gültigkeit der Polymerdefinition) in der Praxis nicht relevant ist. Die tatsächliche Art und Zahl der durch die Vulkanisation entstehenden neuen Bindungen in dem höher molekularen Polymeren (Reifenkautschuk) können ungeklärt bleiben. Wäre der hypothetische Ansatz zutreffend, wäre das bei der Vulkanisation entstehende Molekül in der Tat ein neuer Stoff, der zu registrieren wäre. Nicht relevant für den Wegfall von möglichen Registrierungspflichten ist im Übrigen der Umstand, dass der durch die Vulkanisation hergestellte Reifen ein Erzeugnis ist. Art 7 der REACH-VO statuiert auch für Stoffe in Erzeugnissen Registrierungspflichten, insbesondere dann, wenn Stoffe aus den Erzeugnissen verwendungsbedingt freigesetzt werden sollen, bzw. Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten im Fall der Freisetzung bedenklicher Stoffe. Da Reifen immer Abrieb haben (und haben sollen, der Hersteller möchte ja wieder neue Reifen verkaufen), ist bei diesem Erzeugnis von einer willentlichen Stofffreisetzung beim Gebrauch auszugehen. Hier hat die Agentur aber auch einen Ermessensspielraum.
Da aber ohnehin bereits alle bei der Reifenproduktion eingesetzten Einzelstoffe für diese Verwendung registriert sind, erübrigt sich die Registrierung durch den Reifenhersteller (vgl. Art. 7 Abs. 6).