KomNet-Wissensdatenbank
Wo ist die Grenze zu Freisetzung unter normalen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen zu ziehen und liegt diese in den geschilderten Fällen der Assemblierung überhaupt vor?
KomNet Dialog 8091
Stand: 14.09.2009
Kategorie: Sichere Chemikalien > Registrierung > Artikel, Produkte, Erzeugnisse
Frage:
Ein Artikelimporteur (Artikel werden von außerhalb der EU bezogen) beliefert verschiedene Industriezweige - innerhalb der EU - mit elektronischen Bauteilen bzw. elektronischen Komponenten oder auch mechanischen Bauteilen, es handelt sich hierbei um reine sog. "B2B"-Geschäfte. Die Teile / Komponenten dienen den entsprechenden Zweigen beispielsweise zur Herstellung von 1. RFID-(Kontaktlos-)Karten oder IC-Chips, z.B. Kreditkarten, Telefonkarten, Zugangskarten etc. (bei den Artikeln handelt es sich hierbei z.B. um Antennen, die auf flexiblen Leiterplatten aufgebracht sind, und auf sog. Folienbahnen geliefert werden); 2. Kühlkörpern für CPU-Einheiten, sog. heat sinks; 3. Metallteile zum Einbau in Fahrzeuge. Die Bauteile sind teilweise klein dimensioniert. Es handelt sich aber hierbei ausschließlich um Artikel gem. REACH Artikel 3 (3), dies ist nach Abgleich / Überprüfung mit der ECHA Guidance on requirements for substances in articles eindeutig. Wichtig zu erwähnen ist, dass die a) Bauteile teilweise bereits mit Löt- oder Schweißstellen importiert werden (z.B. Teile wie unter 2. oder 3. genannt) oder b) mit Kleber versehen sind (z.B. Teile wie unter 1.) genannt [hier kann es auch vorkommen, dass der Kunde über diesen oder einen anderen Lieferanten Kleber bezieht, um die Teile, wie unter 1. genannt, die im gelieferten Zustand noch keinen Kleber beinhalten, zu verkleben / zu assemblieren], so dass der Kunde sie weiterverarbeiten oder in das Endprodukt einsetzen kann. Wie ist vor diesem Hintergrund REACH Artikel 7 (1) b) für den Artikelimporteur zu sehen, der den / die Artikel wie eingekauft als Lieferant an den Kunden weiterverkauft: (...): b) der Stoff soll unter normalen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen freigesetzt werden. (...) ? In wie fern trifft Artikel 7 (1) für den Artikelimporteur zu, der den / die Artikel wie eingekauft als Lieferant an den Kunden weiterverkauft und der Kunde I) die unter 1. genannten Artikel zum Endprodukt (hierbei ist genannter Lieferant nur einer von mehreren) zusammensetzt / verklebt, a) erstens mit dem bereits im Artikel vorhandenen Kleber, b) zweitens mit dem vom genannten Lieferanten separat gelieferten Kleber; II) die unter 2. bzw. 3. genannten Artikel, die bereits mit Löt- / Schweißstellen, an welchen das entsprechende Lot bereits angebracht ist, zum Endprodukt assembliert? Bedeutet die Assemblierung und dabei eine beim Kleben oder Löten / Schweißen entstehende Freisetzung von Substanzen, dass eine Registrierpflicht besteht? Für den Importeur? Wo ist die Grenze zu Freisetzung unter normalen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen zu ziehen und liegt diese in den geschilderten Fällen der Assemblierung überhaupt vor?
Antwort:
(Hinweis zu den Abkürzungen: Art. = Artikel und Abs. = Absatz, wenn nicht anders angegeben beziehen sich alle Angaben auf REACH (Verordnung (EG) 1907/2006).)
Zunächst einmal vielen Dank für die ausführliche Schilderung. Bei meinen Ausführungen gehe ich davon aus, dass ausschließlich der Kleber und das Lot für eine beabsichtigte Freisetzung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 in Frage kommen.
1. Vorüberlegungen
1.1 Erzeugnis und Zubereitung
Die von Ihnen beschriebenen Bauteile sind ja Erzeugnisse im Sinne von REACH. Hiervon würde ich anhand Ihrer Beschreibung ebenfalls ausgehen. Fraglich ist aber, ob der Kleber bzw. das Lot als Teil des Erzeugnisses anzusehen ist. Wie Sie in den „Leitlinien zu den Anforderungen für Stoffe in Erzeugnissen“ sicher gesehen haben, kennt REACH auch Zubereitungen in Erzeugnissen (z.B. Kugelschreiber oder Druckerpatronen). Hierbei wird ein Produkt gedanklich in zwei Bestandteile – ein Erzeugnis (als Behälter) und in eine Zubereitung (Tinte) – aufgeteilt. Da der Kleber bzw. das Lot keine Funktion haben, die direkt mit der Funktion der Bauteile zusammenhängt (wie beispielsweise ein Öl, das als Korrosionsschutz auf eine Metallplatte aufgetragen wird), würde ich die Bauteile und den Kleber/das Lot für die Betrachtung unter REACH ebenfalls gedanklich voneinander trennen. Ich würde also davon ausgehen, dass Bauteile (Erzeugnisse) und Kleber/Lot (Zubereitungen) importieret werden und beide, in Bezug auf mögliche Registrierungspflichten, getrennt voneinander betrachten werden müssen.
1.2 nur Erzeugnis
Würde man hingegen davon ausgehen, dass Bauteil und Kleber/Lot zusammen ein Erzeugnis darstellen, so wäre zu fragen, ob der Kleber bzw. das Lot bei der Verarbeitung beabsichtigt freigesetzt werden. Eine beabsichtigte Freisetzung liegt m. E. nicht vor, da der Kleber ja auf dem Bauteil verbleiben soll und lediglich für eine Verbindung des Bauteils mit einem anderen Bauteil sorgen soll (dies ist vergleichbar mit Klebebändern, die in den erwähnten Leitlinien ebenfalls behandelt werden). In diesem Fall (Bauteil und Kleber/Lot bilden eine Einheit – ein Erzeugnis) wären keine Registrierungspflichten nach Art. 7 Abs. 1 zu erfüllen.
2. Zu Ihren Fragen (Nummerierung analog zu Ihren Fragen)
Ich gehe bei der Beantwortung Ihrer Fragen davon aus, dass die Bauteile und der Kleber/das Lot getrennt voneinander zu betrachten sind.
2.I Kleber
2.I.a) Kleber befindet sich auf dem importierten Bauteil
Wenn sich der Kleber bereits auf dem importierten Bauteil befindet, also Bauteil und Kleber importiert werden, so müssen die im Kleber (Zubereitung) enthaltenen Stoffe nach Art. 6 registriert werden (wenn die entsprechenden Voraussetzungen, z. B. 1 Tonne, erfüllt sind). Die im Bauteil (Erzeugnis) enthaltenen Stoffe müssen nicht registriert werden.
2.I.b) separat gelieferter Kleber
In Bezug auf das Bauteil ergeben sich keine Registrierungspflichten. Falls der Importeur auch den Kleber importiert, so muss er die im Kleber (Zubereitung) enthaltenen Stoffe nach Art. 6 registrieren (wenn die entsprechenden Voraussetzungen, z. B. 1 Tonne, erfüllt sind). Importiert der betrachtete Importeur den Kleber nicht, so ergeben sich für ihn auch keine Registrierungspflichten.
2.II Lot
Diese Frage ist analog zu 2.I.a) zu sehen und zu beantworten. Die im Lot (Zubereitung) enthaltenen Stoffe (die einzelnen Metalle) müssen nach Art. 6 registriert werden (wenn die entsprechenden Voraussetzungen, z. B. 1 Tonne, erfüllt sind). Die im Bauteil (Erzeugnis) enthaltenen Stoffe müssen nicht registriert werden.
3. Assemblierung und Freisetzung
M. E. findet bei der Assemblierung keine Freisetzung statt. Im Rahmen der Assemblierung wird das Lot bzw. der Kleber auf einem Bauteil aktiviert, um eine dauerhafte Verbindung zu einem anderen Bauteil herzustellen. Der Kontakt zwischen dem Kleber/Lot und dem ursprünglichen Bauteil bleibt dabei bestehen (wenn er sich auch qualitativ ändert). Liegt keine Freisetzung vor, so sind auch keine Registrierungspflichten nach Art. 7 Abs. 1 zu beachten. Im Zusammenhang mit der Freisetzung nach Art. 7 Abs. 1 ist außerdem zu berücksichtigen, dass diese Freisetzung gewollt sein muss. Tropft beispielsweise durch unsauberes Arbeiten etwas Kleber auf den Boden, so ist dies möglicherweise eine Freisetzung, gewollt ist sie aber in keinem Fall, so dass eine derartige Freisetzung (da ungewollt) nicht unter Art. 7 Abs. 1 fällt.
4. Allgemeines
Der Importeur muss sich grundsätzlich nur um mögliche Pflichten für die von ihm importierten Produkte kümmern. Auch bei der Berechnung der Mengen muss er nur die von ihm selbst importierten Mengen (dann aber ggf. über alle Produktarten) berücksichtigen.
Der von Ihnen erwähnte Leitfaden zu den Anforderungen für Stoffe in Erzeugnissen ist in englischer sowie in deutscher Sprache verfügbar [englische Version (pdf-Datei, 0,8 MB) - deutsche Version (pdf-Datei, 1,2 MB)].