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Wie sind Kokse, Peche, Mischungen von Kohlenstoff und Polymer sowie teilcarbonisierte Polymere unter REACH zu behandeln?
KomNet Dialog 6080
Stand: 15.09.2009
Kategorie: Sichere Chemikalien > Registrierung > Monomere, Polymere
Frage:
Wir beziehen und verarbeiten eine Reihe von Koksen und Pechen. 1) Sind alle Kokse, wie Zechenkoks, Petrolkoks, Braunkohlenkoks ... Stoffe, die nach Artikel 2 Absatz 7 Buchstabe b von der Registrierungspflicht ausgenommen sind? 2) Werden alle Peche in gleicher Weise behandelt oder registriert, oder wird eine Abstufung nach z.B. Erweichungspunkt zu erwarten sein? 3) Sind Mischungen/Zubereitungen von Kohlenstoff und Polymer von der Registrierungspflicht ebenso ausgenommen, wie die Einzelstoffe 4) Sind teilcarbonisierte Polymere (Polyacrylnitril wird in einem ersten Prozessschritt oxidiert und liegt immer noch in einer Polymerkette vor) als Polymer zu betrachten und damit von der Registrierung ausgenommen?
Antwort:
Hinweis zu den Abkürzungen: Art. = Artikel und Abs. = Absatz, wenn nicht anders angegeben beziehen sich alle Angaben auf REACH (Verordnung (EG) 1907/2006, s.u.).
Zu 1): Nach Art. 2 Abs. 7 Buchstabe b sind die unter Anhang V fallenden Stoffe von der Registrierung ausgenommen. In Anhang V werden unter Punkt 10 bestimmte Stoffe, unter anderem auch Koks, von der Registrierung ausgenommen, soweit sie nicht chemisch verändert wurden (Definition: Art. 3 Abs. 40). Da der Koks in Anhang V nicht näher spezifiziert wird, ist davon auszugehen, dass der Oberbegriff gemeint ist und Koks (jede Art von Koks), wenn er nicht chemisch verändert wurde, von der Registrierung ausgenommen ist.
Im Zusammenhang mit Anhang V sollte beachtet werden, dass dieser Anhang nach Art. 138 Abs. 4 bis zum 01.06.08 von der Kommission überprüft und daraufhin ggf. geändert werden muss, so dass sich noch Änderungen im Anhang V ergeben können.
Des Weiteren ist zu beachten, dass die Ausnahme für die Stoffe des Anhangs V nach Art. 2 Abs. 7 nur für bestimmte Teile von REACH gilt (Titel II, V und VI), das der restliche Teil der Verordnung (z.B. Titel IV - Informationen in der Lieferkette) aber auch auf diese Stoffe anzuwenden ist.
Zu 2): Um darauf einzugehen, inwieweit physikalisch-chemische Daten (z.B. Erweichungspunkt) bei der Registrierung von Pech eine Rolle spielen können, muss ein wenig ausgeholt werden: Bei Pech handelt es sich um ein komplexes Gemisch verschiedener Stoffe. REACH sieht grundsätzlich nur die Registrierung von Stoffen, nicht aber von Gemischen vor (Art. 6 und Art. 7 Abs. 1 und Abs. 5). Wenn aber eine Substanz über ihre chemische Zusammensetzung nicht ausreichend identifiziert werden kann, weil beispielsweise die Zusammensetzung relativ stark variiert und schwer vorhersagbar ist, so wird in der Leitlinie Guidance for identification and naming of substances under REACH [englische Version (pdf-Datei, 1,6 MB) - deutsche Version (pdf-Datei, 1,7 MB)], die Möglichkeit aufgezeigt, solche Substanzen als einen so genannten UVCB-Stoff zu registrieren (UVCB = Substances of Unknown or Variable composition, Complex reactions products or Biological materials). Da UVCB-Stoffe über ihre chemische Zusammensetzung nicht ausreichend identifiziert werden können, müssen andere Merkmale zur Identifizierung herangezogen werden. In der Regel sind dies der Name des Stoffes, seine Herkunft (z.B. Ausgangsmaterialien) und die Art und Weise wie dieser Stoff hergestellt/gewonnen wurde (hier würden z.B. auch Siedebereiche mit angegeben werden wenn es sich um eine Fraktion einer Destillation handelt). Neben Angaben nach Anhang VI Punkt 2 zur Identifikation des Stoffes sind schließlich auch andere Angaben zu machen, die dazu dienen, einen Stoff so eindeutig wie möglich zu identifizieren. Hierzu können auch physikalisch-chemische Daten wie z.B. der Erweichungspunkt gehören. Ziel ist eine eindeutige und nachvollziehbare Identifikation des Stoffes, was schlussendlich auch dazu führen kann, dass vermeintlich gleiche Stoffe einzeln registriert werden müssen.
Bei den Anforderungen hinsichtlich der Registrierung von Stoffen wird in der Regel nicht nach physikalisch-chemischen Eigenschaften (wie z.B. dem Erweichungspunkt) differenziert. Die Anforderungen, wie zum Beispiel der Umfang der einzureichenden Daten (Art. 10) und (falls eine Übergangsregelung nach Art. 23 in Anspruch genommen wird) der Zeitpunkt, bis zu dem die Registrierung erfolgt sein muss, richten sich vielmehr nach der zu registrierenden Menge und nach der „Gefährlichkeit“ eines Stoffes. Je größer die Menge und je gefährlicher ein Stoff, desto mehr Informationen müssen vorgelegt werden.
Auch im Zusammenhang mit den anderen Pflichten, die sich aus REACH ergeben, wie zum Beispiel den Informationspflichten, können Peche unabhängig von ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften grundsätzlich gleich behandelt werden. Dies liegt in der Entscheidung der jeweiligen Registranten.
Zu 3): REACH sieht grundsätzlich nur die Registrierung von Stoffen, nicht aber von Mischungen/Zubereitungen vor (Art. 6 und Art. 7 Abs. 1 und Abs. 5). Bei Zubereitungen (Gemenge, Gemische oder Lösungen, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen – Art. 3 Abs. 2) muss aber für jeden einzelnen Stoff, aus dem die Zubereitung besteht, überprüft werden, ob dieser registriert werden muss. Allgemein: Sind alle Stoffe, aus denen eine Zubereitung besteht, von der Registrierungspflicht ausgenommen, so besteht für eine solche Zubereitung im Hinblick auf eine mögliche Registrierung kein weiterer Handlungsbedarf. Mittlerweile ist Kohlenstoff registrierpflichtig, da er nicht mehr im Annex IV der REACH-Verordnung aufgeführt ist.
Bei Polymeren, die zwar selbst von der Registrierung ausgenommen sind (Art. 2 Abs. 9), ist zu beachten, dass die Monomere, aus denen das Polymer aufgebaut ist unter bestimmten Voraussetzungen registriert werden müssen (Art. 6 Abs. 3), auch wenn das Polymer in einer Zubereitung enthalten ist.
Zu 4): Die Definition eines Polymers im Sinne von REACH wird in Art. 3 Abs. 5 gegeben. Diese Definition bezieht sich unmittelbar auf die Molekulargewichtsverteilung, so dass diese (zumindest in gewissen Grenzen) bekannt sein muss, um eine endgültige Entscheidung darüber zu treffen, ob es sich bei der betrachteten Substanz um ein Polymer handelt oder nicht. Zur näheren Erläuterung der Definition und zur Entscheidung darüber, ob es sich um ein Polymer handelt oder nicht, kann die Leitlinie Guidance for monomers and polymers [englische Version (pdf-Datei, 410 kB)] herangezogen werden. Hier werden auf den Seiten 7 bis 9 die Definitionen für Monomere und Polymere näher erläutert und auf den Seiten 9 und 10 an einem Beispiel dargestellt. Weitere Hilfestellung in deutscher Sprache bietet die BAuA-Broschüre REACH-Info 3: Besonderheiten bei Polymeren und Monomeren (pdf-Datei, 191 kB)
Sollte es sich bei dem teilcarbonisiertem Polyacrylnitril um ein Polymer handeln (wovon auszugehen ist), so muss das Polymer selbst nicht registriert werden (Art. 2 Abs. 9). Die Monomere (oder anderen Stoffe) aus denen das Polymer aufgebaut ist, müssen aber nach Art. 6 Abs. 3 registriert werden, wenn sie die dortigen Voraussetzungen erfüllen (Monomereinheit zu mindestens 2 Massenprozent (w/w) im Polymer enthalten, die Gesamtmenge pro Jahr und Hersteller/Importeur beträgt mindestens eine Tonne und sie sind noch nicht von einem vorgeschalteten Akteur der Lieferkette registriert worden).
Zu prüfen wäre eventuell noch, ob es sich bei den teilcarbonisierten Polymeren um ein Erzeugnis handelt. Ein Erzeugnis ist in REACH definiert als ein Gegenstand, der bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhält, die in größerem Maße als die chemische Zusammensetzung seine Funktion bestimmt (Art. 2 Abs. 3). Sollte diese Definition auf Ihre teilcarbonisierten Polymere zutreffen, so sind insbesondere Art. 7 Abs. 1 (in Bezug auf die Registrierung) und Art. 7 Abs. 2 (in Bezug auf eine Unterrichtung der Agentur) zu beachten.
Zusammenfassung:
Alle Kokse sind, soweit sie nicht chemisch verändert wurden, nach Anhang V von der Registrierung ausgenommen. Physikalisch-chemische Daten können zur Charakterisierung eines Stoffes herangezogen werden. Im Hinblick auf die Anforderungen im Zusammenhang mit der Registrierung und den anderen, sich aus REACH ergebenden Pflichten, wird grundsätzlich nicht nach physikalisch-chemischen Daten differenziert. Bei Zubereitungen müssen die einzelnen Stoffe, aus denen die Zubereitung besteht, registriert werden (und nicht die Zubereitung selbst). Polymere sind zwar von der Registrierung ausgenommen, die Monomere, aus denen sie aufgebaut sind, müssen aber in aller Regel registriert werden, es sei denn sie wurden von einem Vorlieferanten bereits registriert.
Für den Fall, das Sie eine Registrierung in Betracht ziehen, sollten Sie unbedingt die Frist für die Vorregistrierung beachten (01.06.08 bis 30.11.08), da ohne Vorregistrierung die Übergangsregelungen nach Art. 23 nicht in Anspruch genommen werden können (Art. 28 Abs. 1).
Anmerkung: Die in der Antwort angesprochenen Leitlinien sollen den Verordnungstext erläutern, sie haben keinen Gesetzescharakter. Maßgeblich ist allein der Text der Verordnung.