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Ab wann genau gelten im Herstellungsprozess Formulierungen als Arzneimittel und ab wann gelten somit die Ausnahmen nach REACH?
KomNet Dialog 5355
Stand: 25.09.2009
Kategorie: Sichere Chemikalien > Begriffsbestimmungen > Produkttypen
Frage:
Nach Art. 2 Abs. 5 a gelten die Titel II, V, VI und VII nicht für Stoffe, die in Human- und Tierarzneimitteln verwendet werden. Frage: wo genau ist die Schnittlinie hierbei? Erläuterung: pharmazeutisch wirksame Substanzen in Arzneimitteln werden i. d. R. über mehrstufige Synthesen hergestellt (chemische Produktion)und dann, unter Hinzufügen von Hilfsstoffen, zum eigentlichen Arzneimittel formuliert (galenische Produktion). Zumindest während der chemischen Produktion unterliegen die Vor- und Zwischenstufen m. E. allen Bestimmungen der REACH-Verordnung. Könnte man die Formulierung bereits als unter die Ausnahme nach Art. 2 fallend betrachten? Und was ist, wenn der Formulierer das Arzneimittel im Bulk produziert, und erst nachgeschaltet das eigentliche Verkaufsprodukt gefertigt (abgepackt) wird?
Antwort:
Die am 18. Dezember 2006 vom Europäischen Parlament beschlossene Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 „(…) zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) (…)“ ist ab 1. Juni 2007 gültig. Nach Art. 2 Abs. 5 a) gelten die Titel II für die Registrierung, V für nachgeschaltete Anwender, VI für die Bewertung und VII für die Zulassung nicht, „(…) soweit ein Stoff in Human- oder Tierarzneimitteln im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel und der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (…)“ verwendet wird.
Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. a und b der EU-Richtlinie 2001/83/EG sind Arzneimittel (…) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (…). Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. a und b der EU-Richtlinie 2001/82/EG gilt für Tierarzneimittel die analoge Definition.
Im nationalen Recht gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ChemG wesentliche Bestimmungen des Chemikaliengesetzes (ChemG) nicht für (…) Arzneimittel, die einem Zulassungs- oder Registrierungsverfahren nach dem Arzneimittelgesetz oder nach dem Tierseuchengesetz unterliegen, sowie sonstige Arzneimittel, soweit sie nach § 21 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes einer Zulassung nicht bedürfen oder in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Verpackung abgegeben werden (…).
Sowohl im europäischen und als auch im nationalen Recht unterliegen Human- und Tierarzneimittel (Pharmaka) bereits speziellen Zulassungs- und Registrierverfahren nach der EU-Verordnung (VO) 726/2004 bzw. nach dem deutschen Arzneimittelgesetz (AMG), und sind daher aus diesem Grunde von den Zulassungs- und Registrierverfahren des Chemikalienrechts ausgenommen. Das gilt im Grundsatz jedoch nur für die vorgesehene Verwendung von Stoffen oder von Stoffen in Zubereitungen als Human- oder Tierarzneimittel. Im REACH-Prozess sind Stoffe als solche und Stoffe in Zubereitungen immer im Zusammenhang mit Verwendungen zu registrieren.
Die in der chemischen Produktion hergestellten und isolierten Vorstufen und Zwischenprodukte von Pharmaka unterliegen daher den Vorgaben der REACH-Verordnung über standortinterne isolierte Zwischenprodukte nach Art. 17 bzw. über transportierte isolierte Zwischenprodukte nach Art. 18. Wenn der schließlich über mehrere Stufen synthetisierte pharmakologische Wirkstoff anschließend mit Hilfsstoffen, die im Allgemeinen jeweils unter REACH zu registrieren sind, in eine galenische Zubereitung und daraufhin in ein zur Human- oder Veterinäranwendung bestimmtes Fertigarzneimittel formuliert wird, unterliegt der Wirkstoff sowohl in der galenischen Zubereitung als auch im Arzneimittel nicht den in Art. 2 der REACH-Verordnung genannten Titeln. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn ein nachgeschalteter Anwender die galenische Zubereitung als „Bulk“ erhalten und anschließend daraus das Fertigarzneimittel herstellen würde. Bei Abgabe des Wirkstoffs an einen nachgeschalteten Anwender ohne Verwendung als Arzneimittel ist dagegen nach REACH eine Registrierung mit der vorgesehenen Verwendung notwendig.