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Was ist zu tun, wenn mein Mitarbeiter vermehrt über Rückenschmerzen klagt und er die weitere Tätigkeit für nicht zumutbar hält.

KomNet Dialog 4739

Stand: 06.07.2009

Kategorie: Gesundheitsschutz > Berufskrankheit, Berufsunfähigkeit > Medizinische Zusammenhänge

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Frage:

ich habe einen Steinmetzbetrieb und bin ausschließlich auf dem Grabmalsektor tätig. In letzter Zeit klagt mein Geselle vermehrt über Rückenschmerzen und meint, es wäre unzumutbar, den ganzen Tag Schriften in die Grabsteine zu hauen. Meine Frage: Kann ich von meinem Gesellen weiterhin verlangen, dass er den ganzen Tag Schriften haut, oder steht irgendwo geschrieben, dass diese Arbeit eine unzumutbare Belastung oder Gefährdung darstellt? Welche Schäden können möglicherweise entstehen? Beim Einhauen der Schriften arbeitet der Steinmetz in einer stark gebeugten Haltung. Dabei ist der Oberkörper oft verdreht und seitlich geknickt. Das Gewicht des Oberkörpers sowie der Arme und des Meißelhammers wird dabei nicht durch Aufstützen auf den Stein abgefangen, sondern zur Führung des Meißels ist eine Hand nur leicht aufgelegt. Dabei muß äußerst konzentriert gearbeitet werden, da bis auf ein paar zehntel Millimeter genau gehauen werden muß. Bei einem Arbeitstag von 8 1/2 Stunden, abzüglich der Zeit für das Anschleifen der Meißel und für gelegentliches Aufrichten des Oberkörpers, bleiben noch mind. 6 Stunden, in denen in dieser stark gebückten Haltung gearbeitet wird.

Antwort:

 Für den Arbeitsplatz ist bezogen auf die Arbeitstätigkeit eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführen.  

"Beurteilung der Arbeitsbedingungen

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

........

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,

......

3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,

4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,

......."

Ist der Arbeitgeber hierzu selbst nicht in der Lage, kann er diese Aufgaben auch an einen Dritten (z. B. einen Betriebsarzt, eine Sicherheitsfachkraft) delegieren; er bleibt aber für die Durchführung in jedem Fall verantwortlich.

In ihrem geschilderten Fall sollte der Betriebsarzt und die Sicherheitsfachkraft eingeschaltet werden. Unterstützung gewährt auch der gesetzliche Unfallversicherungsträger (hier wahrscheinlich die Steinbruchs-Berufsgenossenschaft).

Aus der Gefährdungsbeurteilung ergeben sich Problemschwerpunkte und Ansätze für arbeitstechnische Verbesserungen (z. B. Einsatz von Hilfsmitteln, die ein Arbeiten in aufrechter Körperhaltung ermöglichen). Weiterhin kann der Betriebsarzt den betroffenen Arbeitnehmer untersuchen und dahingehend beraten, wie durch geeignetes persönliches Verhalten und bestimmte medizinische Maßnahmen die Beschwerden vermieden oder gebessert werden können.

Ggf., z.B. bei Vorliegen einer Behinderung etc., können Hilfen bei der Umgestaltung des Arbeitsplatzes (Integrationsamt, Arbeitsagentur, u. a.) in Anspruch genommen werden.

Der Leitfaden "Gefährdungs- und Belastungsanalyse" der gewerblichen Berufsgenossenschaften stellt eine allgemein gehaltene Anleitung dar, die nicht alle Einzelfälle (hier den Beruf des Steinmetzes) berücksichtigen kann. Umso wichtiger ist es, eine Sicherheitsfachkraft bzw. einen Betriebsarzt einzuschalten, der die Situation fachlich beurteilen kann.

Darüber hinaus ist es unzweifelhaft, dass dauerende Arbeit in einer Rumpfbeugehaltung von 60 bis 80° rückenbelastend und gesundheitsgefährdend ist. Dies ergibt sich u. a. aus dem Merkblatt zur Berufskrankheit 2108 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können); im Internet ist das Merkblatt BK 2108 einzusehen. 

Darin wird als kritische Grenze eine Beugung ab 90° angegeben. Es ist aber unstrittig, dass Arbeiten auch geringfügig darunter stark beanspruchend wirken, wenn zusätzlich weitere Kräfte (wie durch das Halten und Führen von Werkzeugen mit Kraftaufwendung oder Verdrehungsbewegungen) auf den Rücken einwirken.