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Gehen von Polypropylen-Faserseilen Gesundheitsgefahren aus?

KomNet Dialog 3614

Stand: 22.08.2010

Kategorie: Chemische Belastungen und Beanspruchungen > Gefährdungen durch Gefahrstoffe > Gefährdungen durch bestimmte Gefahrstoffe

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Frage:

Polypropylen-Faserseile in der Qualität `PP1` sind in der aktuellen Normung nicht mehr enthalten. Über die Gründe hierfür habe ich keine Informationen finden können. Bei unseren Beschäftigten der Taklerei hält sich das Gerücht, dass diese Seile aufgrund der Struktur ihrer Fasern krebserzeugende Partikel abgeben (bei PP2 und PP3 soll das nicht der Fall sein). Hat dieses Gerücht einen konkreten Hintergrund?

Antwort:

Polypropylen (PP), ein thermoplastischer, teilkristalliner Kunststoff, wird durch Polymerisation von Propylen (Propen) mit Ziegler-Natta-Katalysatoren hergestellt und bildet isotaktische, syndiotaktische und ataktische Formen. Isotaktisches Polypropylen mit hoher Härte und Festigkeit ist zur Herstellung von Polypropylenfasern am besten geeignet. Nach Passage der Schmelze durch Spinndüsen sind durch Strecken die gewünschten Faserdurchmesser und - längen herstellbar. Gemäß den Regelwerken BGR 152 und GUV-R 152 werden bei Faserseilen die Polypropylen-Sorten PP1, PP2 und PP3 angewendet, wobei nach Norm DIN 83302 große Unterschiede in der Tragfähigkeit bestehen. Einzelstränge aus PP2 und PP3 würden bei 16 mm Seildurchmesser eine Nenntragfähigkeit von 475 kg besitzen, aus PP1 dagegen lediglich 250 kg.

Während das gasförmige monomere Propylen als „hochentzündlich“ eingestuft ist, sind bei Polypropylen keine Gefahrstoffeigenschaften zu berücksichtigen. Arbeitsmedizinische und toxikologische Untersuchungen haben bisher keine akut- und chronisch-toxischen Wirkungen des Polypropylens ergeben. Bei Kontakt mit Polypropylenstäuben können mechanische Reizungen der Haut, Augen und Atemwege auftreten, die mit den arbeitshygienischen Mindeststandards nach TRGS 500 vollständig vermeidbar. Bei Stäuben aus nicht gefährlichen Stoffen („Inertstäube“), wie z.B. Polypropylenstaub, sind jedoch Allgemeine Staubgrenzwerte von 10 mg/m³ für E-Staub und 3 mg/m³ für A-Staub nach TRGS 900 einzuhalten.

Zusätzlich auftretende Faserstaubanteile sind gesondert zu bewerten, weil auch nichttoxische Stoffe lungengängige Fasern mit kritische Dimensionen L > 5 µm. D < 3 µm, L/D > 3:1 (WHO-Fasern) bilden und Langzeitschäden bzw. Krebserkrankungen verursachen können, wie z.B. Asbestfasern und künstliche Mineralfasern (KMF). Als Kriterien für krebserzeugende Eigenschaften von KMF werden u.a. Kanzerogenitäts-Index (KI) und Biobeständigkeit, als Luftgrenzwerte für Wirksamkeitskontrollen wurden bisher die nach der neuen GefStoffV nicht mehr gültigen TRK-Werte von 250.000 F/m³ (Asbest) bzw. 500.000 F/m³ (KMF) herangezogen. Eine Einstufung von Polypropylen nach RL 67/548/EWG ist nicht gegeben.

Bei künstlich hergestellten organische Fasern außer bei Aramidfasern gibt es noch keine Bewertungskriterien für Risiken, die jedoch als gering eingeschätzt werden, insbesondere weil es keine Hinweise auf krebserzeugende Eigenschaften gibt. Grund für die Nichtnennung der Polypropylensorte PP1 in der Norm kann daher nicht die vermehrte Abgabe von krebserzeugenden Partikeln sein. Technologisch-sicherheitstechnische Gründe können dagegen verantwortlich sein, weil die Tragfähigkeit der Polypropylen-Sorten PP2 und PP3 erheblich größer ist als bei der Sorte PP1.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet nach § 7 Gefahrstoffverordnung eine Informationsermittlung und eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Hierbei sollte er die Fachkraft für Arbeitssicher-heit und den Arbeitsmediziner beteiligen. Bei Tätigkeiten mit Polypropylenfasern sind die Arbeitsplatzbedingungen so zu gestalten, dass die Mindeststandards der Arbeitsplatzhygiene nach TRGS 500, die Allgemeinen Staubgrenzwerte nach TRGS 900 sowie möglichst niedrige Faserstaubkonzentrationen eingehalten werden. Als Stand der Technik sind im Teil 2 der TRGS 521 für „Organische Faserstäube“ Arbeitsschutzmaßnahmen beschrieben, bei deren Umsetzung die gesetzlichen Vorgaben der neuen GefStoffV mit Sicherheit erfüllt werden können (Vermutungswirkung).