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Gibt zur Verpflichtung für Arbeitgeber, Flucht- und Rettungspläne aufzustellen Konkretisierungen der Kriterien "Lage, Ausdehnung und Art der Benutzung der Arbeitsstätte"?
KomNet Dialog 12609
Stand: 25.11.2016
Kategorie: Gestaltung von Arbeitsplätzen > Arbeitsplatz- und Arbeitsstättenbeschaffenheit > Flucht- und Rettungsplan, Sonstiges zu Fluchtwegen
Frage:
Gibt es hinsichtlich der Verpflichtung für Arbeitgeber, Flucht- und Rettungspläne gem. § 4 Abs. 4 ArbStVO i.V.m. ASR aufzustellen, Konkretisierungen der Kriterien "Lage, Ausdehnung und Art der Benutzung der Arbeitsstätte"? Ist ein entsprechendes Erfordernis z.B. bei Verwaltungsgebäuden anzunehmen, die mehrgeschoßig gebaut sind und regelmäßig auch von nicht dort tätigen Personen besucht werden?
Antwort:
Fälle, in denen die Lage, die Ausdehnung und die Art der Benutzung der Arbeitsstätte die Aufstellung eines Flucht- und Rettungsplanes erfordern, sind unter Abschnitt 9 der ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan" genannt:
• bei unübersichtlicher Flucht- und Rettungswegführung (z.B. über Zwischengeschosse, durch größere Räume, gewinkelte oder von den normalen Verkehrswegen abweichende Wegführung),
• bei einem hohen Anteil an ortsunkundigen Personen (z.B. Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr),
• in Bereichen mit einer erhöhten Gefährdung (z.B. Räume nach Punkt 5 (2) c) bis f)), wenn sich aus benachbarten Arbeitsstätten Gefährdungsmöglichkeiten ergeben (z.B. durch explosions- bzw. brandgefährdete Anlagen oder Stofffreisetzung).
In die ASR A2.3 ist auch die "Empfehlung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Aufstellung von Flucht- und Rettungsplänen nach § 55 Arbeitsstättenverordnung" (Bekanntmachung des BMA vom 10.12.1987 - IIIb 2 - 34.507-8) übernommen worden. Diese konkretisierte die Kriterien "Lage, Ausdehnung und Art der Benutzung der Arbeitsstätte" auch in folgender Form:
2 Flucht- und Rettungspläne sind aufzustellen:
1.2.1 wenn durch die Lage der Arbeitsstätte oder von Teilen der Arbeitsstätte ungünstige Flucht- und Rettungsmöglichkeiten vorliegen. Dies ist z.B. der Fall
• wenn sich die Arbeitsstätte in unmittelbarer Nähe explosions- oder brandgefährdeter Anlagen befindet oder wenn Flucht- und Rettungswege zwingend durch derartige Gefahrenbereiche führen
• wenn befestigte Zufahrten oder Standplätze für Feuerwehr- oder Rettungsfahrzeuge fehlen oder eine Rettung von außen wegen der baulichen Situation (z.B. enge Hofeinfahrten, ausladende Vorbauten, die ein Anlegen von Leitern verhindern) nicht oder nur eingeschränkt möglich ist
• wenn die sog. "Anfahrtzeit" der von außen kommenden Rettungskräfte (Feuerwehr, Sanitäts- und Rettungsdienste, Polizei) von erheblicher Dauer ist und betriebseigene Kräfte nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen.
1.2.2 wenn die Ausdehnung der Arbeitsstätte dies erfordert. Dies ist z.B. der Fall
• wenn bei großflächigen Arbeitsstätten die Übersichtlichkeit der Geschosse, der Arbeitsräume sowie der Flucht- und Rettungswege stark beeinträchtigt ist (z.B. in Produktionshallen oder Großraumbüros) und eine Gefährdung der Arbeitnehmer im Flucht- und Rettungsfall möglich erscheint
• wenn die Arbeitsstätten in mehrgeschossigen Hochbauten oder in Hochhäusern untergebracht sind, so daß lange Flucht- und Rettungswege ohne Räumungsvorbereitung eine zusätzliche Gefährdung darstellen.
1.2.3 wenn durch die Art der Nutzung eine erhöhte Gefährdung gegeben ist. Dies ist z.B. der Fall
• wenn erhöhte Brand- oder Explosionsgefahren vorliegen - wenn ein erhebliches Brandpotential durch Lagerung und Verwendung leicht brennbarer Materialien oder durch die Summierung der Stockwerksbrandbelastungen bei Hochbauten vorhanden ist
• wenn die regelmäßige Anwesenheit betriebsfremder und ortsunkundiger Personen (Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr) eine zusätzliche Gefährdung der Arbeitnehmer im Gefahrfall darstellen kann
• wenn es sich um Arbeitsstätten in Hochbauten mit gemischter Stockwerknutzung (z.B. Lagerung, Produktion, Büro, Archiv) handelt und Flucht- und Rettungswege teilweise von den normalen inneren Verkehrswegen abweichen
• wenn die Arbeitnehmer in Arbeitsräumen (z.B. Maschinenhallen, Werkstätten) durch technologische, chemische oder anderen Gegebenheiten einer besonderen Gefährdung ausgesetzt werden können.
Diese Ausführungen können neben der ASR A2.3 im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung als Erkenntnisquelle genutzt werden.
Auch bezüglich des in der Frage genannten Verwaltungsgebäudes gilt, dass das Erfordernis eines Flucht- und Rettungsplanes mittels Gefährdungsbeurteilung zu klären ist. Wir gehen davon aus, dass in der Gefährdungsbeurteilung für das genannte Verwaltungsgebäude das Erfordernis eines Flucht- und Rettungsplan festgestellt wird.
Informationen zum Flucht- und Rettungsplan sowie zum Alarmplan sind auch der DGUV Information 205-001 "Arbeitssicherheit durch vorbeugenden Brandschutz" (bisher BGI 560) zu entnehmen. Dort finden sich auch weitere Hinweise zu relevanten Regelwerken des Brandschutzes.